Art. 15 DS-GVO vs. § 630g BGB

Das Recht des Patienten zur Einsichtnahme in die Patientenakte und der Auskunftsanspruch nach § 15 DS-GVO

Nach § 630g BGB hat der Patient das Recht, Einsicht in die über ihn geführte Patientenakte zu nehmen. Die Einsicht ist unverzüglich gewähren und kann nur aus erheblichen, therapeutischen oder sonstigen erheblichen Rechten Dritter ganz oder teilweise verweigert werden.

Die Einsichtnahme ist am Ort der Behandlung, also entweder in der Arztpraxis oder im Krankenhaus zu gewähren.

Gegen Kostenerstattung ist der Patient auch berechtigt, eine Abschrift der Patientenakte oder von Teilen hieraus zu fordern. Die voraussichtlichen Kosten sind insoweit vom Patienten vorzuverauslagen. Hinsichtlich der Höhe der Bearbeitungskosten gibt es keine einheitliche Regelung; üblicherweise werden aber – im Falle von Fotokopien – Kopierkosten i.H.v. 0,50 € für die ersten 50 und 0,20 € für alle weiteren Kopien als angemessen angesehen.

Der Aufwand für die Anfertigung von Kopien oder auch nur der Gewährung des Einsichtnahmerechtes kann erheblich sein. Insbesondere betrifft dies den Bereich der psychosomatischen bzw. psychiatrischen Behandlungen, weil hier einerseits regelmäßig lange Behandlungszeiträume dokumentiert sind und häufig auch therapeutische Gründe oder Rechte Dritter dazu führen, dass Teile der Patientenakte geschwärzt werden müssen. Dies betrifft insbesondere Fälle, bei welchen die Einsichtnahme in bestimmte Dokumente den Behandlungserfolg gefährden oder auch – insbesondere in der Sozialanamnese der Kinder- und Jugendpsychiatrie – die Einsichtnahme durch die vertretungsberechtigten Eltern des minderjährigen Patienten zu ganz erheblichen familiären Konflikten führen kann.

In letzter Zeit sind immer häufiger Fälle zu beobachten, in welchen die Patienten statt des – kostenpflichtigen – Anspruchs auf Anfertigung von Abschriften aus der Patientenakte einen Anspruch auf kostenlose Zurverfügungstellung der Patientenakte auf der Grundlage von Art. 15 der Datenschutz-Gundverordnung (DS-GVO) geltend machen.

Nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO hat der „Betroffene“, mithin also auch der Patient Anspruch auf eine umfassende, zusammenfassende Auskunft über die über ihn geführten und verarbeiteten Daten. Hieraus wird teilweise geschlossen, dass dieser Anspruch auch einen umfassenden Auskunftsanspruch über die komplette Patientenakte beinhaltet.

Das Problem liegt nun darin, dass gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO – anders als gemäß § 630g BGB – der Betroffene Anspruch auf eine kostenlose Kopie der über ihn geführten personenbezogenen Daten hat. Hieraus wird teilweise geschlossen, dass die Behandler damit verpflichtet sind, eine kostenlose Kopie der vollständigen Patientenakte zu fertigen, da der europarechtlich geltende Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO das nationale Recht und mithin § 630g BGB verdrängt. Diese Auffassung wird in Veröffentlichungen und Handlungsweisungen vereinzelter Krankenversicherungen, aber auch einzelner kassenärztliche Vereinigungen vertreten.

Demgegenüber vertritt die wohl überwiegende Meinung, insbesondere auch mehrere Landesdatenschutzbehörden die Auffassung, dass § 630g BGB einen weitergehenden Auskunftsanspruch, bezogen auf die Besonderheiten des Arzt – Patientenverhältnisses und den Behandlungsvertrag beinhaltet und der Anspruch nach Art. 15 DS-GVO lediglich den Anspruch auf eine Auskunft in der Form einer strukturierten Zusammenfassung begründet.

Diese Auffassung dürfte zutreffend sein. Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO ist die Information des Betroffenen über die über ihn vorhandenen und verarbeiteten Daten. Demgegenüber ist der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenakte ein regelmäßig weitaus umfassenderer Anspruch über Einzelheiten eines komplexen Lebenssachverhalts. Hierfür spricht nicht zuletzt der Umstand, dass § 630g BGB auch nach Inkrafttreten der DS-GVO nicht geändert wurde.

Gerade im stationären und fachärztlichen Bereich dürfte der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO mit der Übersendung des Entlassberichtes bzw. des Arztbriefs an den Nachbehandler bereits erfüllt sein, wenn dieser hinreichend spezifiziert ist und die wesentlichen relevanten Daten über den Patienten und die Behandlung enthält.

Allerdings wird man insoweit die weitere Entwicklung der Rechtsprechung im Auge behalten müssen. Im Augenblick besteht jedenfalls insoweit keine Rechtssicherheit, sodass auch für die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung selbstverständlich keine Gewähr übernommen werden kann.